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2004
Das Rheingold, Oper visualisiert

Auf Entdeckungsreise: „Das Rheingold“ als virtuelle, dreidimensionale Götterwelt

Interview mit Johannes Deutsch von Tiberius Binder


„Zu Beginn ist die Leinwand völlig dunkel. Langsam tauchen einige Nebelschleier auf, es wird nach und nach heller und so erschließt sich uns erst allmählich, dass wir auf dem Grund eines Flussbettes sitzen. Auf dem Grund des blau-grünen Rheins, auf dessen Oberfläche die Wellen wogen ...“
Johannes Deutsch


Eine konzertante Operndarbietung zu visualisieren – das war die zukunftsweisende Idee von Wolfgang Winkler, Künstlerischer Leiter des Brucknerhauses, wie sie im Jahr 2003 an das Ars Electronica Futurelab und Johannes Deutsch herangetragen wurde. Der gebürtige Linzer Johannes Deutsch hatte bereits bei einem Auftragswerk für das Ars Electronica Festival mit dem Futurelab zusammengearbeitet und im Jahr 2002 und einen interaktiven Raum, den „Gesichts-Raum“, eine CAVE-Installation konzipiert.
Der Auftrag zur Visualisierung einer konzertanten Oper war jedoch etwas völlig Neues. Und für Johannes Deutsch stellte sich die Frage: „Auf welche Weise kann man eine visuelle Welt mit einer musikalischen Welt verknüpfen?“ Denn bei Visualisierung einer konzertanten Oper wird keine Kulisse generiert, es gibt keine Bühne, ebenso keine aufwendigen Kostüme.

Willkommene „Starthilfe“ bei diesem aufwendigen Pionierprojekt leistete Richard Wagners Oper „Das Rheingold“ selbst. „Ein Glücksfall“, wie Johannes Deutsch betont, denn „Rheingold ist im ‚Ring-Zyklus‘ das ‚bunteste‘ Werk. Die Oper, bei der am meisten visuell geschieht. Dort wechseln die Welten einander ab: im Rhein, auf dem Berg, oder auf der Regenbogenbrücke. Außerdem geht Wagner in diesem Werk fast ein bisschen oberlehrerhaft vor. Er illustriert uns mit jedem Ton ganz genau, worum es geht.“

So ist das künstlerische Konzept von Johannes Deutsch eine Antwort auf die Struktur der Narration in „Das Rheingold“. Diese stellt dem Gesang, der der Handlung im Libretto folgt, die Verweise der Leitmotivik gegenüber, welche den Ablauf durch Erinnerungen unterbrechen oder in die Zukunft sehen, um diese voranzukündigen. „Wenn beispielsweise der maßlose Anspruch Alberich zum Raub des Goldes treibt, wird währenddessen Alberichs vorwegnehmende Vision des ‚Ringes‘ auf der virtuellen Bühne zu sehen sein.“ Aber nicht jedes Handlungsmoment des Librettos erfährt zwingend seine visuelle Umsetzung: „Ich habe dem Ars Electronica Futurelab vorgeschlagen, dass wir die Verwandlung Alberichs in eine Schlange anders zeigen werden. Musikalisch ist es bereits wunderbar, wie an dieser Stelle die Akkorde auseinandergehen, um das aufgerissene Maul der Schlange zu visualisieren. Aber das macht Wagner mit der Musik. Wo Wagner restlos bildlich mit der Musik spricht, setze ich zusätzlich keine Bilder ein. Aber eine kleine visuelle Überraschung an dieser Stelle haben wir jedoch vorbereitet.“


Bevor Johannes Deutsch die ersten Szenen der Visualisierung für „Das Rheingold“ erarbeitete, hieß es zunächst, die „Schulaufgaben“ zu machen, sprich eine gründliche Recherche der musikalischen und dramaturgischen Hintergründe voranzustellen. „Denn“, so Johannes Deutsch, „die Visualisierung konnte nicht eine abstrakte Behübschung sein, sondern es musste zunächst eine Auseinandersetzung mit der Ideengeschichte Wagners wie auch den Entwicklungen in der Bühnengestaltung stattfinden. Und in diesem Zusammenhang war sicherlich alles wichtig, was ab dem Jahrhundert-Ring von Chéreau geschehen ist. Natürlich haben mir die Komponisten des 20. Jahrhunderts wie Mahler, Schönberg aber auch Mauricio Kagel einen Weg gewiesen. Kagel hat sehr ausführlich erklärt und beschrieben, was seiner Meinung nach die Utopie des Komponisten Wagner gewesen ist: kein Theater-Brimborium, keine Theaterszenen, sondern die Dramaturgie der Musik.“ Um psychoanalytische (Donington, Schickling) und politsche Betrachtungen (Mayer) in einer Balance zusammenzubringen und auch szenische Erlebnisse wie von Patrice Chéreau zu verarbeiten, fiel schließlich die Entscheidung zu Gunsten einer Bildsprache, welche die Sphären der Götterwelt und die Götter selbst als abstrakte 3D-Welten und Objekte gestaltet. „Das heißt man kann wirklich über die Regenbogenbrücke gehen, wirklich im Flussbett sitzen und kann sehen, wie das Wasser und der Nebel dahinströmen.“

Doch sieht der Rhein bei Johannes Deutsch tatsächlich wie der Fluss aus, wie wir ihn von Fotografien oder Gemälden kennen? Und was ist mit den Göttern: Wie konkret lässt er diese in seiner virtuellen Bilderwelt entstehen? „Ich habe versucht, da ich eigentlich ein sehr figurativ gestaltender Künstler bin, hier etwas abstrakter zu arbeiten, aber - als Anbindung an die Wirklichkeit - die Proportionen der Wirklichkeit zu halten. Das bedeutet: Der Rhein, das sind abstrakte Formen, die aber letztendlich ein Flussbett, das Wellenspiel des Wassers wiedergeben. Oder der Berg ist ein abstraktes Trapez, aber durch die Farbe und Proportion und die Burg, die darauf steht, ist es erkennbar als Burg und Berg. Das gleiche gilt für die Unterwelt: Die Klüfte, die Spalten, die Schächte. Diese Sphären wurden aus einer Sprache einfacher Formen geschaffen, die Götter sind komplexer. Denn diese Art Objekte hat die Aufgabe es zuzulassen, dass die Musik sie plausibel und verständlich modelliert. Das heißt, dass sie sich wie Quallen, riesige Knetobjekte verformen können. Sie sind Skulpturen mit vielen Parametern, denn sie können sich in die Breite ausdehnen, kleiner oder größer werden oder in eine andere Figur hineinwachsen. So sind die Riesen schroffere, gröbere Klötze, sie sind prügelartig und wenn sie sich ausdehnen und verformen, dann ist das ruppig und brutal. Wotan, wenn er wirklich in Aktion ist, hat ganz innen ein dunkles, rundliches Objekt, ähnlich einem Auge. Alberich ist einfach ‚zackig’, rot. Er kann Funken schlagen, Stacheln bekommen. Der Loge, eigentlich die Figur, die für mich im Lauf der Arbeit immer interessanter geworden ist, besitzt, ähnlich einem Kometen, einen Schweif. Erda ist vollkommen blau und leuchtet quasi von innen heraus.“

Jede „Figur“ und jeder „Ort“ der Oper „Das Rheingold“ erhält somit eine eigene unverwechselbare Formsprache – erschließt sich damit auch demjenigen, der das Libretto nicht gelesen hat, die visualisierte Oper im Brucknerhaus? „’Das Rheingold’ ist ein sehr sinnliches Stück, das auch in sich selbst einen Sinn ergibt, wenn man die Geschichte nicht kennt. Trotzdem glaube ich, dass sich der Hörer und Seher etwas vergibt, wenn er das Libretto grundsätzlich nicht kennt. Es gibt von mir einen recht flapsigen Spruch: ‚In 40 Minuten ist das Libretto doch gelesen.’ Diese Zeit sollte man tatsächlich investieren, sonst raubt man sich den Genuss der Aufführung im Brucknerhaus.“


Orchester und Sänger werden bei der Aufführung von „Das Rheingold“ im Brucknerhaus am 26. und 28. September mikrofoniert spielen und singen, dies ist quasi die „Nabelschnur“ zu dem enormen technischen Steuerungssystem, das sich auf der Galerie des Großen Saales befindet. Denn die Musik selbst wird an beiden Aufführungsabenden zum Regisseur der Bilderwelt von Johannes Deutsch. Die Mikrofone leiten die Klänge der verschiedenen Instrumentengruppen wie auch die Stimmen der Solisten direkt an die Computersysteme weiter, die dann in Echtzeit zur musikalischen Interpretation des Dirigenten durch sein Orchester und die Solisten die virtuelle Welt auf der Panoramaleinwand des Großen Saales entstehen lassen. Aber woher weiß der Computer, welche Bildwelt zu den einzelnen Sequenzen der Wagnerschen Musik gehört?

„Ein Jahr vor dem Aufführungstermin beim Brucknerfest 2004 wurden im Brucknerhaus bereits Aufnahmen mit dem Bruckner Orchester Linz unter Dennis Russell Davies und verschiedenen Solisten vorgenommen. So ‚kennt’ der Computer nun zum einen die Originalaufnahme mit diesen Sängern, zum anderen wurde ihm die komplette Partitur eingespeist.“ Nach über eineinhalbjähriger Entwicklungszeit kommt für die Aufführung im Brucknerhaus nun eine vom Ars Electronica Futurelab unter Linux entwickelte Software zum Einsatz, die es ermöglicht, die verschiedenen Blickwinkel aller Projektionen zu berechnen und damit eine über fünf Leinwände synchronisierte stereoskopische Bilddarstellung zu gewährleisten. „Das Comuptersystem funktioniert wie eine gigantische Verkehrsleitzentrale. Denn in einem eigens für ‚Das Rheingold’ entwickelten Netzwerk von Parametern und Vergleichsmaßstäben muss der Computer in Echtzeit augenblicklich vergleichen können, wie ist die Dynamik der Musik, wie die Interpretation der Gesamtaufführung von Dirigent, Orchester und den Solisten. Gleichzeitig verfügt der Computer über ein Arsenal an Bildern, blau und grün für den Rhein, Wellen, die er heftiger, perlender oder auch ruhiger ausgestalten kann. Nebel, der mal feiner, dichter oder auch schwefeliger sein kann, flackerndes Feuer, Funken die sprühen ...“ Die Entfaltung und Modulation der dreidimensionalen, virtuellen Götterwelt wird so an beiden Aufführungsabenden unmittelbar von der musikalischen Interpretation des Orchesters und der Solisten beeinflusst und gesteuert.

Das Publikum, ausgestattet mit 3D-Brillen, erlebt so an beiden Abenden, 26. und 28. September, nicht nur eine faszinierende, dreidimensionale Virtual Reality, sondern ist zudem mit einer enormen, insgesamt 850 Quadratmeter großen „Bühne“ konfrontiert, auf der sich, gemeinsam mit der Musik, beständig etwas verändert und bewegt. „Ob das, was wir im Brucknerhaus zeigen, eine geschichtliche Visualisierung oder eine Art von visueller Dramaturgie genannt werden muss, wird sich erst erweisen.“ Eines steht für Johannes Deutsch jedoch bereits im vorhinein fest: „Was die Zuschauer im September im Brucknerhaus sehen werden, geht weit über ‚Das Rheingold’ hinaus. Die Kunst und die Kultur hat in den neuen Computermedien ein intelligentes Werkzeug bekommen. Ein Instrument des 20. Jahrhunderts das uns nun zeigt, wie es ästhetisch einsetzbar ist. Die Aufführung im Brucknerhaus erzählt so von einer großen Entdeckungsreise. Für einen solchen Weg interaktiver, virtueller Computerwelten ist Wagner nicht von ungefähr der Erfinder der Filmmusik – das ist kongenial. Der Computer zeigt uns hier wirklich, wie er uns entgegenkommt. Und Wagner ist ein idealer Reisebegleiter.“


Veranstaltung, Ort: Brucknerfest Linz 2004, Brucknerhaus Linz

Werkegruppe Rheingold Aufführung
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